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Westdeutsche Allgemeine Zeitung

WAZ: Die EU und der Gasstreit - Begrenzte Kundenmacht - Leitartikel von Knut Pries

Essen (ots) -

Die EU verschärft im Gasstreit die Tonart. Das ist
überfällig, denn die Folgen des rituellen Kräftemessens zwischen 
Moskau und Kiew sind nicht lustig. In Deutschland reicht es, die 
Reserven anzuzapfen. Aber in Bulgarien geht buchstäblich der Ofen 
aus, müssen Fabriken die Produktion einstellen. In Griechenland, 
Österreich, Slowenien, der Slowakei, Polen und Ungarn kommt kein oder
nur sehr wenig Gas an.
Es ist der Lage angemessen, wenn die EU-Kommission nun die 
Ungehaltenheit des Großabnehmers EU etwas herber artikuliert. Es ist 
angemessen, dass Kommissionschef Barroso persönlich zum Hörer greift 
und sich bei den Kollegen Putin (Russland) und Timoschenko (Ukraine) 
dagegen verwahrt, dass hier die Versorgungssicherheit der EU zur 
Geisel eines Disputs genommen wird, in dem sie gar keine Aktien hat. 
Bislang hatte Brüssel sich weggeduckt: Es handle sich um "einen 
bilateralen kommerziellen Konflikt", den die zwei Streithähne bitte 
unter sich lösen möchten. Das ist ja richtig, kann aber nicht heißen,
dass der geprellte Kunde klaglos in die Röhre guckt. Wenigstens tut 
die EU jetzt nicht mehr so, als hätte sie keine Ahnung, welches Spiel
hier auf ihre Kosten gespielt wird.
Die Regierungen in Moskau und Kiew stecken in beträchtlicher 
finanzieller Verdrückung. Die würden sie sich gern mit Hilfe der 
Europäer etwas erleichtern. Könnten die nicht den enormen Abstand 
zwischen den Preisvorstellungen des Gaslieferanten Russland und 
seines Kunden Ukraine überbrücken helfen, auf dass keiner in 
Versuchung komme, sich an den Kontingenten für die westlichen 
Nachbarn zu vergreifen?
Darauf können sich letztere auf keinen Fall einlassen. Russland 
als Produzent und die Ukraine als Durchleiter sind gegenüber ihren 
Geschäftspartnern in der EU verpflichtet, unabhängig vom bilateralen 
Verhältnis untereinander. Dabei haben die EU-Staaten gegen Moskau wie
Kiew durchaus etwas in der Hand. Beider Kalkül ist kurzsichtig: Die 
Russen ruinieren ihren Ruf als zuverlässige Lieferanten, die Ukrainer
nähren in der EU weitere Zweifel, ob sie als künftige Partner taugen.
Jenseits politischer Argumente sind die Europäer allerdings kaum in 
der Lage, ihre Kundenmacht gebündelt einzusetzen. Die Gasversorgung 
ist weitgehend eine nationale Angelegenheit. Wo man sich versorgt, 
welche Vorräte man anlegt - das entscheidet jeder für sich. 
Angesichts eines Problems, das zur Jahreswende so regelmäßig 
stattfindet wie die Vierschanzentournee, ist das ein kläglicher 
Zustand.

Pressekontakt:

Westdeutsche Allgemeine Zeitung
Zentralredaktion
Telefon: 0201 / 804-2727
zentralredaktion@waz.de

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